- Leila war früher so fröhlich – jetzt lacht sie kaum mehr.
- Marco ist ständig krank.
- Tom schwänzt immer wieder die Schule und hält sich kaum an Regeln.
- Katja ist plötzlich sehr ängstlich und traut sich kaum mehr was.
- Leonie flippt ständig aus und wirft mit Gegenständen um sich.
- Thomas ist sehr laut, stört immer wieder den Unterricht, spielt den Klassenclown.
Als Lehrerin, Schulsozialarbeiter, Hortnerin oder Kleinkinderzieherin merken Sie am Verhalten eines Kindes, dass seine Welt nicht in Ordnung ist. Die Signale können auf Vieles hinweisen, denn Kinder können ihre Schwierigkeiten noch nicht wie Erwachsene in Worte fassen. Sie stellen ihre Nöte meist im Spiel oder auf der Verhaltensebene dar.
Auch Jugendliche neigen dazu, Probleme zu inszenieren statt zu verbalisieren. Die Verhaltenssignale können auf unterschiedliche Probleme hinweisen, so auch auf die psychische Erkrankung eines Elternteils. Es ist darum wichtig, dass Sie genau hinsehen und erfahren, wie die aktuelle Lebenssituation des betreffenden Kindes oder Jugendlichen aussieht.
Diese Lebenssituation ist oft geprägt von komplexen und widersprüchlichen Gefühlen.
Angst und Schuld
- Kinder psychisch belasteter Eltern machen sich meist grosse Sorgen um den erkrankten Elternteil. Sie sind oft über Jahre hinweg schweren inneren Ängsten ausgesetzt und können mit niemandem darüber reden. Sie fühlen sich einsam und allein gelassen mit ihrer Last. Es gibt Krankheitssymptome, die für das Kind besonders schwierig zu verstehen sind und sie reagieren verwirrt und verunsichert darauf, beispielsweise wenn das Elternteil Stimmen hört oder Personen sieht, die für das Kind nicht wahrnehmbar sind.
- Einige Kinder haben das Gefühl, sie müssten sich noch mehr anstrengen, sich noch mehr zuhause einsetzen, damit es dem erkrankten Elternteil wieder besser gehe. Diese Kinder übernehmen meist viel Betreuungsverantwortung für das erkrankte Elternteil und für die Geschwister.
- Leider fühlen sich viele Kinder für die Erkrankung des Elternteils verantwortlich. Sie stellen Verknüpfungen zu ihrem Verhalten her und denken, die Mutter oder der Vater sei krank geworden, weil sie beispielweise unartig gewesen sind. Sie klagen sich selbst an und entwickeln Schuldgefühle, über die sie mit niemandem reden können. Oft tragen sie diese Last während der ganzen Kinder- und Jugendzeit mit sich, weil ihnen niemand aufgezeigt hat, dass die elterliche Erkrankung gar nichts mit ihnen zu tun hat.
Redeverbot und Scham
- Oft herrscht in den betroffenen Familien ein Redeverbot. Über die Erkrankung oder einen Klinikaufenthalt wird nicht gesprochen. Den Kindern werden für die Abwesenheit eines erkrankten Elternteils immer wieder falsche Gründe vermittelt. Sie werden im Ungewissen gelassen und haben keine Ahnung, was mit dem Elternteil los ist. Die Kinder spüren, dass das Redeverbot nicht nur in der Familie, sondern auch und noch mehr ausserhalb gilt. Aus Loylität zu den Eltern halten sie sich daran und halten auch in der Schule gegenüber ihrer Lehrerin dicht.
- Manche Kinder schämen sich für ihre familiäre Situation, vor allem wenn es zuhause drunter und drüber geht oder wenn sich das erkrankte Elternteil aus Sicht von Schulkameraden oder Freunden komisch benimmt. Die Kinder befürchten, von Schulkameraden ausgelacht zu werden und schämen sich für ihre Eltern und das Chaos zuhause. Um sich nicht zu schämen, meiden sie die Kontakte zu Gleichaltrigen immer mehr.
Kampf und Rückzug
Kinder, die in familiär belastenden Situationen leben, reagieren ganz unterschiedlich auf ihre schwierigen Lebensverhältnisse:
- Einige drücken ihre Not mit sozial auffälligem Verhalten aus und fallen als aggressive Kinder auf, die in der Klasse anecken und disziplinarisch schwer zu leiten sind.
- Andere signalisieren ihre Konflikte und Überforderungen mit Rückzug. Sie werden still und in sich gekehrt und nehmen kaum mehr an den Aktivitäten der Gleichaltrigen teil.
- Wiederum andere entwickeln selbst psychische Krankheitssymptome als Folge ihrer emotionalen Belastungen und Konflikte.
- Dann gibt es aber auch Kinder und Jugendliche, die sich trotz widriger Lebensumstände gesund entwickeln und keine Auffälligkeiten zeigen.
Man weiss aus Studien mit Erwachsenen, die als Kinder von einer elterlichen Krankheit betroffen waren, wie schlimm und belastend es für sie gewesen ist, in dieser Ungewissheit aufzuwachsen. Als Fachperson im Sozial- und Bildungsbereich haben Sie verschiedene Möglichkeiten einem Kind, das Probleme zu haben scheint, zu helfen.
Die folgenden drei Kurzfilme haben wir speziell für Fachpersonen erstellt. Darin:
- erzählt ein Lehrer von seiner Erfahrung mit einer Schülerin, deren Mutter psychisch erkrankt ist
- eine Schulsozialarbeiterin, was sie für die Arbeit mit belasteten Familien raten kann und
- ein Erwachsenenpsychiater, wie er in solchen Fällen mit Familien arbeitet.