Antworten auf Ihre Fragen

Leila war früher so fröhlich – jetzt lacht sie kaum mehr. Marco ist ständig krank.
Tom schwänzt immer wieder die Schule und hält sich kaum an Regeln.
Katja ist plötzlich sehr ängstlich. Leonie flippt ständig aus und wirft mit Gegenständen um sich. Nick ist sehr laut, stört den Unterricht, spielt den Klassenclown.

Als Fachperson merken Sie möglicherweise am Verhalten eines Kindes, dass seine Welt nicht in Ordnung ist. Und Sie fragen sich: Was ist mit diesem Kind los? Die Signale können auf vieles hinweisen, denn Kinder können ihre Schwierigkeiten noch nicht wie Erwachsene in Worte fassen. Sie drücken ihre Nöte meist im Spiel oder in ihrem Verhalten aus. Auch Jugendliche neigen dazu, Probleme zu inszenieren statt zu verbalisieren. Diese Verhaltenssignale können auf unterschiedliche Probleme hinweisen, so auch auf die psychische Erkrankung eines Elternteils. Es ist darum wichtig, dass Sie genau hinsehen und behutsam versuchen in Erfahrung zu bringen, wie die aktuelle Lebenssituation des betreffenden Kindes oder Jugendlichen aussieht. Liegt eine psychische oder Suchterkrankung eines Elternteils vor, ergeben sich für Sie wahrscheinlich zahlreiche Fragen. Einige davon haben wir hier für Sie mit unseren Antworten zusammengestellt.

Die betroffenen Kinder und Jugendliche sind auf aufmerksame Fachpersonen angewiesen, da Sie dazu beitragen können, dass erste Anzeichen einer für das Kind belastenden Familiensituation in einem möglichst frühen Stadium erkannt und behandelt werden können

Wenn Sie sich noch vertiefteres Wissen zum Thema aneignen wollen, sind allenfalls unsere Weiterbildungen das Richtige für Sie.

Betroffene Kinder machen vielfach komplexe und widersprüchliche Erfahrungen. Manche erleben ihre Eltern als hilflos, emotional nicht zugänglich, nicht verlässlich. Oder die Reaktionen der Eltern sind für sie nicht berechenbar.
Es gibt Krankheitssymptome, die für Kinder besonders verwirrend und verunsichernd sind, beispielsweise wenn das Elternteil Stimmen hört oder Personen sieht, die für die Kinder nicht wahrnehmbar sind.

Oft herrscht in den betroffenen Familien ein Redeverbot. Über die Erkrankung oder einen Klinikaufenthalt wird nicht gesprochen. Den Kindern werden für die Abwesenheit eines erkrankten Elternteils immer wieder falsche Gründe genannt. Sie werden im Ungewissen gelassen und haben keine Ahnung, was mit dem Elternteil los ist. Die Kinder spüren, dass das Redeverbot nicht nur in der Familie, sondern auch und noch mehr ausserhalb gilt. Aus Loyalität zu den Eltern halten sie sich daran und halten auch gegenüber Ihnen als Fachperson dicht.

So sind betroffene Kinder oft über Jahre allein mit ihren Ängsten.

Man weiss aus Studien mit Erwachsenen, die als Kinder von einer elterlichen Krankheit betroffen waren, wie schlimm und belastend es für sie gewesen ist, in dieser Ungewissheit aufzuwachsen. Die psychische Erkrankung eines Elternteils stellt darum auch ein erhöhtes Risiko für die gesunde Entwicklung der Kinder dar. Zwei Drittel der betroffenen Kinder und Jugendlichen fühlen sich zeitlebens vom Erlebten belastet oder erkranken im Verlauf ihres Lebens selber psychisch. Doch es gibt glücklicherweise auch Kinder und Jugendliche, die sich trotz widriger Lebensumstände gesund entwickeln und keine Auffälligkeiten zeigen.

Kinder spüren immer, dass es ihrer Mutter oder ihrem Vater nicht gut geht. Egal wie alt sie sind und wie gut die Eltern versuchen, dies vor den Kindern zu verstecken. So spürt schon ein wenige Tage alter Säugling, dass seine Mutter an einer postpartalen Depression leidet und die 15-Jährige, die scheinbar unbekümmert ihr eigenes Leben lebt, macht sich höchstwahrscheinlich Sorgen um den Vater, der «auf Geschäftsreise» in einer psychiatrischen Klinik ist. Darum gilt: Jedem Kind soll erklärt werden, was mit seiner Mutter oder seinem Vater los ist. Man kann auch einem Säugling sagen, dass es der Mama nicht gut geht, dass das nichts mit ihm zu tun hat und dass die Eltern dafür sorgen werden, dass es wieder besser wird. Diese Botschaft wird das Baby beruhigen, auch wenn es die Worte nicht versteht. 93 Prozent unserer Botschaften vermitteln wir nonverbal.

Kinder reagieren ganz unterschiedlich auf das Erlebte.

  • Einige drücken ihre Not mit sozial auffälligem Verhalten aus und fallen als aggressive Kinder auf, die anecken und disziplinarisch schwer zu leiten sind.
  • Andere reagieren mit Rückzug oder Überanpassung. Sie werden still und in sich gekehrt, nehmen ihre Bedürfnisse stark zurück.
  • Viele entwickeln selbst psychische Krankheitssymptome als Folge ihrer emotionalen Belastungen und Konflikte.

Kinder, die introvertiert und angepasst reagieren, sind häufiger in der Zahl als jene, die mit ihrem Verhalten auffallen. Betroffene Kinder haben oft das Gefühl, dass es in ihrer Familie keinen Platz für ihre Probleme hat. Und so geben sie sich ganz besonders Mühe, nicht aufzufallen. Sie haben das Gefühl, sie müssten sich noch mehr anstrengen, sich noch mehr zuhause einsetzen, damit es dem erkrankten Elternteil wieder besser geht. Diese Kinder übernehmen meist auch viel Betreuungsverantwortung für das erkrankte Elternteil und für die Geschwister.

Leider fühlen sich viele Kinder für die Erkrankung des Elternteils verantwortlich. Sie stellen Verknüpfungen zu ihrem Verhalten her und denken, die Mutter oder der Vater sei krank geworden, weil sie beispielsweise unartig gewesen sind. Sie klagen sich selbst an und entwickeln Schuldgefühle, über die sie mit niemandem reden können.

Manche Kinder schämen sich für ihre familiäre Situation, vor allem wenn es zuhause drunter und drüber geht oder wenn sich das erkrankte Elternteil aus Sicht von Schulkameraden oder Freunden komisch benimmt. Die Kinder befürchten, von Schulkameraden ausgelacht zu werden und schämen sich für ihre Eltern und das Chaos zuhause. Um sich nicht zu schämen, meiden sie die Kontakte zu Gleichaltrigen immer mehr.

Wenn Sie ein Kind behandeln, betreuen, begleiten oder unterrichten, von dem Sie vermuten oder wissen, dass ein Elternteil psychisch erkrankt ist, werden Sie sich fragen, ob und wie Sie zur Verbesserung der Situation des Kindes beitragen können. Es stellen sich dabei Fragen wie: Welche ist meine spezifische Rolle? Was sind meine Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten? Wo sind meine Grenzen?
Wenn Sie Ihre Beobachtungen reflektieren und beurteilen möchten oder wenn Sie merken, dass Sie unsicher hinsichtlich Ihrer Aufgaben entlang Ihres Berufsauftrages sind, suchen Sie das Gespräch mit Kolleg:innen aus Ihrem unmittelbaren Arbeitsfeld. Empfehlenswert kann auch der Besuch einer Fachstelle sein. Ein externer Fachexperte kann Ihnen helfen, Ihre persönliche Haltung und Ihr weiteres Vorgehen zu klären und Ihnen wichtige Informationen über psychische Erkrankungen vermitteln. Kontaktieren Sie uns, wir beraten Sie gerne!

Ein ganz wichtiger Grundsatz lautet: Übergehen Sie die Eltern nicht, sondern beziehen Sie sie ein, sobald Ihnen das Verhalten eines Kindes auffällt. Gehen Sie auf die Eltern zu, wenn Sie wissen, dass ein Elternteil psychische Probleme hat. Schildern Sie ihnen das Verhalten des Kindes und was Sie daran sorgt. Wagen Sie es, die Eltern behutsam auf die psychische Erkrankung anzusprechen. Nur so können Sie offen mit ihnen über die Reaktionen des Kindes sprechen. Versuchen Sie, mit den Eltern Absprachen zu treffen, wie Sie in ergänzender Zusammenarbeit das Kind unterstützen können.
Manchmal reagieren die Eltern zuerst zurückhaltend oder wehren ab, wenn sie mit den Schwierigkeiten oder Auffälligkeiten ihres Kindes konfrontiert werden. Viele fühlen sich beschämt und haben Angst, sie würden als schlechte Eltern angesehen. Das nährt ihre Zurückhaltung und Abwehr.
Manche sind aber auch erleichtert, wenn die Mauer des Versteckens fällt und sie mit Ihnen als wichtige ausserfamiliäre Bezugsperson darüber reden können und ihnen Hilfe angeboten wird.
Auch wenn es zuerst harzig läuft, raten wir Ihnen, den Kontakt mit den Eltern nicht abzubrechen, sondern mit entsprechendem Fingerspitzengefühl dranzubleiben. Nur so kann eine schwierige Situation aufgebrochen und ein Veränderungsprozess in Gang gebracht werden. Manchmal brauchen die Eltern zuerst einfach etwas Zeit, bevor sie mit Aussenstehenden ein Gespräch führen.
Ein weiterer wichtiger Grundsatz lautet: Übernehmen Sie keine Aufgaben, die nicht Ihrer Profession und Ihrem Berufsauftrag entsprechen. In den meisten Regionen und Kantonen gibt es diversifizierte Hilfsangebote für Eltern und Kinder, auf die Sie verweisen können. Je nach Situation und Art des Problems des Kindes oder der Familie, sind unterschiedliche Fachstellen oder Fachpersonen aus dem sozialen oder medizinischen Versorgungssystem anzusprechen. Unter Hilfe finden können Sie nach Angeboten in Ihrer Region suchen.
Sie können sich mit Ihren Fragen und Anliegen auch direkt an uns wenden, wir sind Ihnen gerne behilflich bei der Suche und Vermittlung.

Wenn Sie feststellen oder erahnen, dass sich das Kind oder der Jugendliche in einer alarmierenden Gefährdungssituation befindet, müssen Sie unbedingt ein anderes Vorgehen als oben beschrieben wählen. Liegen Gefährdungsgründe oder sogar Indizien vor, müssen Sie unverzüglich Ihre Vorgesetzten darüber informieren und die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) einbeziehen.
Um eine solche Situation kann es sich handeln, wenn das Kind Signale oder sogar Spuren erheblicher Vernachlässigungen zeigt, es Gewalt ausgesetzt ist oder ein Missbrauch vorliegt.
Achten Sie darauf, dass das Kind eines schwer psychisch erkrankten Elternteils nicht selbst Teil eines elterlichen Wahn- oder anderen Krankheitssystems geworden ist. Liegt eine solche Gefahr vor und steigt die Sorge in Ihnen auf, das Kind könnte psychisch oder an Leib und Leben bedroht sein, sollten Sie ohne Wenn und Aber sofort handeln und die Behörde einschalten.
Für einen funktionierenden Kindesschutz tragen wir alle die Verantwortung.

Wenn Sie mit psychisch erkrankten Eltern zu tun haben, sollten Sie sich ein gründliches Bild der Verhältnisse in dieser Familie machen. Fragen Sie immer wieder nach, wie es im Alltag läuft, wie es mit den Kindern geht und ob die Kinder gut durch die belastende Situation begleitet werden. Geben Sie sich nicht mit schnellen Antworten und Abwiegelungen zufrieden.
Wenn sich Ihnen als behandelnde Fachperson eine Situation darstellt, die für die Kinder unbefriedigend ist, übernehmen Sie Mitverantwortung, damit reagiert wird und die Kinder nicht weiter diesen Belastungen ausgesetzt bleiben. Vermitteln Sie den Eltern die dafür zuständigen Fachstellen in ihrer Gemeinde oder Region.
Tun Sie diese Triagierung in geklärter Absprache mit den Eltern. Manchmal benötigt es mehr als ein Gespräch, um sie von diesem Schritt zu überzeugen. Die Eltern haben häufig Angst, als schlechte Eltern angesehen zu werden, und sie haben Scham- und Schuldgefühle ihren Kindern gegenüber. Diese Gefühle verstärken die Abwehr von angebotener Hilfe. Wichtig ist: Bleiben Sie dran, bis sich eine befriedigendere Situation herstellen lässt, damit die Kinder nicht alleine gelassen werden.

Alle betroffenen Kinder brauchen Erklärungen. Sie spüren, dass etwas nicht «normal» ist und es beschäftigt sie. Dies ist auch dann der Fall, wenn die Eltern sich so gut es geht nichts anmerken lassen oder die Kinder scheinbar überhaupt nicht auf die Belastung der Mutter oder des Vaters reagieren.

Wenn Sie mit Familien mit einem psychisch erkrankten Elternteil zu tun haben, ist es darum wichtig, dass Sie die Eltern und Kinder fragen, wie über das Thema in der Familie gesprochen wird. Spricht die Familie offen darüber, ist sie bereits auf dem Weg, die Erkrankung oder akute psychische Krise positiv ins Familienleben zu integrieren. Das ist wichtig für die Krankheitsverarbeitung von Kindern und Eltern.
Wird offen über das Thema gesprochen, dann können auch Sie offen mit der Familie darüber sprechen. Eine solche Ausgangslage ist für Kinder und Eltern optimal, denn in der Regel fällt es den Familienmitgliedern so auch leichter, Hilfe von Verwandten oder Fachleuten anzunehmen.
Wenn Sie merken, dass nicht offen über das Thema gesprochen wird, fallen Sie nicht mit der Tür ins Haus. Die Eltern könnten Ihnen das sehr übel nehmen und als Grenzüberschreitung werten. Gehen Sie sachte vor. Lassen Sie sich in Abwesenheit der Kinder von den Eltern schildern, was sie zurückhält, darüber zu reden. Liegen Schuld- und Schamgefühle zugrunde oder fehlen die Worte, um es kindergerecht und altersentsprechend zu vermitteln? Fürchten sie sich vor den Reaktionen der Kinder, haben sie Angst, sie zu überfordern?
Wenn solche oder ähnliche Hemmnisse vorliegen, benötigen betroffene Eltern noch Zeit im Umgang mit ihren Widerständen. Ideal kann es sein, wenn die Eltern eine Fachperson zur Seite haben, die den Klärungs- und Auseinandersetzungsprozess anstossen und therapeutisch begleitet.

Idealerweise sprechen die Eltern mit ihren Kindern. Manche Eltern einigen sich darauf, dass der gesunde Elternteil die Aufgabe alleine übernimmt, weil z.B. der erkrankte Elternteil noch in der Klinik weilt. In dieser Stresssituation für alle Familienmitglieder ist es besonders wichtig, dass die Kinder mit ihren Fragen und Überlegungen nicht alleine bleiben. Denn die Klinikabwesenheit eines Elternteils löst viele Fragen und Gefühle bei Kindern und Jugendlichen aus.
Es kann auch sein, dass sich Eltern vor einem Aufklärungsgespräch mit ihren Kindern zuerst beraten lassen möchten. Das iks bietet entsprechende Hilfe an. Kontaktieren Sie uns direkt oder klären Sie die Eltern über dieses Angebot auf.

Solange die Eltern nicht von sich aus dazu bereit sind, mit ihrem Kind über die Erkrankung zu sprechen, bringt es nichts, wenn Sie die Eltern unter Druck setzen. Statt sich zu öffnen, werden sie sich dieser Aufgabe eher noch mehr verschliessen. Weisen Sie die Eltern immer wieder darauf hin, wie wichtig es für das Kind ist, zu wissen, was los ist. Gleichzeitig sollten Sie den Eltern aber auch den Raum zugestehen, sich damit zuerst innerlich auseinanderzusetzen.
Manchmal bleiben Eltern überfordert, das Gespräch mit ihrem Kind oder Jugendlichen aufzunehmen. Die Überforderung kann verschiedene Gründe haben. Es fehlt ihnen die Kraft oder das Selbstvertrauen. Oder ihr Zugang zum Kind oder Jugendlichen ist konfliktreich. Oder sie sind hilflos im Finden der Worte, die dem Alter ihres Kindes angepasst sind.
Dann sind alternative Lösungen zu suchen, z.B. dass eine möglichst nahe Bezugsperson des Kindes diese Aufgabe stellvertretend übernimmt. Je vertrauter dem Kind die Bezugsperson ist, umso mehr fühlt sich das Kind getragen und wird sich trauen, seine Fragen zu stellen. Wichtig ist, dass der betroffene Elternteil zu diesem Vorgehen einwilligt.
Manchmal kann es unterstützend sein, wenn die behandelnde Fachperson des Elternteils ein Familiengespräch ansetzt und die Aufklärung über die elterliche Erkrankung zusammen mit dem Elternteil führt.