Ist eine Ihnen nahestehende Person psychisch erkrankt? Vielleicht sogar Ihr*e Partner*in? Für Menschen mit einer psychischen Beeinträchtigung kann die aktuelle anhaltende Situation besonders bedrohlich und belastend sein. Diese Menschen brauchen nach wie vor besonders viel Ermutigung, Unterstützung und Entlastung. Vor allem für psychisch erkrankte Eltern kann eine solche Mehrbelastung dazu führen, dass sich ihre Krankheitssymptome verstärken. Folgende Anregungen helfen Ihnen womöglich dabei, stimmige Wege zu finden, um weiterhin da zu sein.
Helfen bei der stetigen Neugestaltung des Alltags
Diese Pandemiesituation hat viele gewohnten Alltagsabläufe durcheinandergewirbelt. Doch ein übersichtlicher Tagesablauf gibt Eltern und Kindern den notwendigen Halt, damit nicht Chaos und Konflikte überhandnehmen. Da sind Partner und Mitmenschen wichtig, die ergänzende Hilfestellungen anbieten.
Wenn Sie Partner*in sind, sprechen Sie sich als Paar ab, welche Tageszeiten zuhause für Aufstehen, Mahlzeiten, Schulaufgaben, Ämtli und Pflichten im Haushalt, Spiel- und Medienzeiten und Schlafenszeiten gelten sollen. Die Massnahmen verändern sich monatlich und Tagesabläufe werden diesen im Idealfall stetig angepasst. Wann immer möglich, sprechen Sie gemeinsam mit den Kindern über die Pläne und setzen Sie den ausgehandelten Wochenplan um. Versuchen Sie das als Paar gemeinsam zu tun. Nur wenn es nicht anders möglich ist, übernehmen Sie ohne das erkrankte Elternteil die Führung.
Auch als nahestehende Person im Umfeld der Familie können Sie Entlastung und Unterstützung anbieten. Die Kontaktaufnahme und -pflege kann auch über FaceTime, Skype oder ähnliches erfolgen. Fragen sie nach, wie Sie den Eltern und Kindern konkret behilflich sein können. Vielleicht braucht es nicht mehr als ein, zwei Anregungen, wie der Tag mit den Kindern aufgelockert werden könnte oder es braucht Ihr Angebot, täglich mit dem Elternteil telefonisch oder per Skype in Kontakt zu bleiben. Vielleicht sind Spiele und anderes Beschäftigungsmittel nützlich, die Sie vor die Türe legen können. Der einen oder anderen Familie helfen Sie so womöglich bei der Planung eines geregelten Tagesablaufes, weil sich selber damit schwertut.
Mischen Sie sich nur so weit ein, wie die Familie es zulässt und damit einverstanden ist, ausser Sie haben das Gefühl, dass die Kinder einer Gefährdung oder Vernachlässigung ausgesetzt sind. Dann sollten Sie handeln und eine Gefährdungsmeldung an die KESB einreichen. Bei Unsicherheiten wenden Sie sich kostenlos an unsere Beraterin.
Sich erkundigen und zuhören
Bieten Sie betroffenen Eltern jetzt ein zuhörendes DU. In einer solchen andauernden Krisensituation ist es speziell wichtig, dass sich Betroffene mit anderen Menschen, insbesondere mit nahen Menschen, austauschen und sprechen können.
Nehmen sie sich als Partner*in die Zeit, einmal im Tag sowohl als Paar wie als Eltern auf das Tagesgeschehen zurückzuschauen. Was ist erfreulich, was ist konflikthaft gelaufen? Wie haben Sie sich ergänzt, wo ist es gelungen, wo nicht? Konzentrieren Sie sich nicht nur auf das Schwierige, damit auch deutlich wird, dass Sie sich gegenseitig unterstützt haben. Es bewährt sich, wenn Sie diesen rückblickenden Austausch zeitlich limitieren. Gestaltet man solche Gespräche zu ausufernd, verfallen Paare gerne ins gegenseitige Jammern, Klagen und daraus entstehen leicht gegenseitige Vorwürfe. Das ist nicht aufbauend, um den nächsten Tag neu anzupacken und als Team zu bestehen.
Als Partner*in fühlen Sie sich möglicherweise aber auch selber überfordert mit der Situation, gerade wenn die Krankheitssymptome wieder stärker werden. Wenn Sie merken, dass Ihnen alles zu viel wird, ist es wichtig, dass Sie diese Gefühle nicht wegschieben. Überlegen Sie, was Sie genau überfordert, was Ihnen zu schaffen macht und tauschen Sie sich darüber mit Ihrer/Ihrem Partner*in aus und suchen Sie – wenn möglich – gemeinsam eine Lösung. Überlegen Sie sich, wer Ihnen von aussen Entlastung bieten könnte und wagen Sie es, Angehörige, Bekannte und Freunde um konkrete Hilfestellungen zu bitten. Auch unser Beratungsteam ist gerne für Sie da.
Pragmatische Hilfe im Alltag bieten
Für Menschen mit einer psychischen Erkrankung kann eine anhaltende Ausnahmesituation in die absolute Überforderung führen und ihre Erkrankung verschlimmern.
Sie können als Elternpaar diese Überforderungen abfedern, indem Sie dafür sorgen, dass alle anderen Familienmitglieder einen Teil der anstehenden Aufgaben in der Familie übernehmen. Zudem sollten Sie sich nicht scheuen, in Ihrem Umfeld um Hilfe zu bitten. Vielleicht kann eine Tante regelmässig mit den Kindern nach draussen gehen? Oder ein Nachbar erledigt für Sie den wöchentlichen Einkauf? Hilfe können Sie auch hier finden: https://www.hilf-jetzt.ch
Achten Sie bitte darauf, dass Sie niemanden um Hilfe bitten, der zur Risikogruppe gehört. Als nahestehende Person aus dem Umfeld bieten Sie der Familie Ihre Hilfe an (wichtig: nur wenn Sie nicht zur Risikogruppe gehören!). Weiterhin ist ganz pragmatische Alltagshilfe sehr entlastend.
Auf Stellen hinweisen
Weisen Sie die betroffene Familie darauf hin, dass es verschiedene Stellen gibt, die auch in Krisensituationen Hilfe und Unterstützung bieten. Sie können die betroffene Person auf unsere Webseite oder e-Beratung hinweisen. Unsere Peer- und Fachberaterinnen haben immer ein offenes Ohr für die Anliegen von Betroffenen und ihren Angehörigen. Auch der Elternnotruf und die Rufnummer 143 der Dargebotenen Hand stehen rund um die Uhr zur Verfügung.
Konzentration auf das Wesentliche
In besonders herausfordernden Zeiten ist es wichtig, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Eine Familie mit einem psychisch erkrankten Elternteil kann die anstehenden Belastungen auf Dauer nur meistern, wenn sie sich nicht Übermenschliches abverlangt.
Als gesunde*r Partner*in sind Sie für die Kinder besonders wichtig, damit sich diese gerade in unsicheren Zeiten getragen und geschützt fühlen. Um ihnen diese Sicherheit vermitteln zu können, ist es notwendig, dass auch Sie selber Auszeiten für Entspannung und Erholung haben.
Wenn Sie berufstätig sind, sollten Sie das Gespräch mit Ihrem/Ihrer Vorgesetzte*n suchen. Informieren Sie über die immer noch belastete Situation zuhause und wie sehr Sie auch weiterhin in dieser Krisenzeit von den Kindern und Ihrer/Ihrem Partner*in gebraucht werden. Handeln Sie mit Ihrem Arbeitgeber eine fortlaufende praktikable Lösung aus, die mit Ihren elterlichen Pflichten und Ihren Pflichten als Arbeitnehmende*r in Einklang stehen. Wenn Sie der Kinder wegen öfters zuhause bleiben müssen, weil Ihr/Ihre Partner*in es nicht alleine schafft, haben Sie während einer bestimmten Zeit weiterhin Anspruch auf Lohnfortzahlung. Genaueres dazu finden Sie hier: https://www.unia.ch/de/arbeitswelt/von-a-z/coronavirus
Als nahestehende Person aus dem Umfeld können Sie die betroffene Familie anregen, mit den Arbeitgebenden offen zu reden. So können Arbeitnehmer*in und Arbeitgeber*in nach Lösungen suchen.
Die behandelnde Fachperson kontaktieren
Wenn sich die Krankheitssymptome stark verschlechtern, sollten Sie als Partner*in unbedingt den behandelnden Arzt oder Therapeuten kontaktieren. Vereinbaren Sie einen Vorgehensplan, der klärt, ab wann die Krankheitssymptome zu belastend für die Kinder oder zu gefährlich für Ihre*n Partner*in sind und eine Klinikeinweisung ratsam ist.
Auch als Person aus dem Umfeld können Sie versuchen, sich an die behandelnde Fachperson zu wenden, wenn Sie sich Sorgen machen. Diese ist zwar an die Schweigepflicht gebunden, kann dann aber von sich aus Kontakt aufnehmen mit der betroffenen Person. Sie können sich bei Unsicherheiten und Fragen auch jederzeit an unser Beratungsteam wenden.
Hilfe für Sie selbst
Einem bedürftigen Menschen zu helfen, kann viel Energie kosten. Achten Sie gut auf sich selbst. Achten Sie auch auf Ihre Bedürfnisse, und Ihre eigenen Kräfte und Grenzen. Es bringt nichts, wenn Sie selber in eine Erschöpfung geraten. Vielleicht gibt es ja andere Menschen im Umfeld der Familie, die Sie im Einverständnis mit der betroffenen Person fragen könnten, ob sie ihr ebenfalls Hilfe anbieten?
Und melden auch Sie sich bei unserem Beratungsteam, wenn Sie selbst nicht weiterwissen. Auch auf unserer Webseite finden Sie viele Tipps im Umgang mit betroffenen Familien.
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